23 Jänner 2025

Warum halten Unternehmen an einem Relikt der Vergangenheit fest?

Selbst im Jahr 2025 verlangen viele Unternehmen noch immer Motivationsschreiben von Bewerbenden. Doch während sich unsere Gesellschaft zunehmend auf digitales Lernen und den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) stützt, bleibt das Recruiting in vielen Bereichen erstaunlich rückständig. Die ab Februar verschärften Regelungen des EU AI Acts können den rasanten Fortschritt im Personalwesen nicht mehr aufhalten – umso absurder erscheint die Nutzung veralteter Methoden wie des Motivationsschreibens zur Bewerberauswahl.

KI verändert das Recruiting – aber wer passt sich an?

Unternehmen, die KI in ihrem Betrieb einsetzen, müssen sicherstellen, dass ihre Mitarbeitenden die nötigen Kompetenzen für den verantwortungsvollen Umgang mit diesen Technologien haben. Gleichzeitig erwarten sie, dass Bewerbende moderne Tools effizient nutzen.

Doch genau hier zeigt sich die Ironie: Während KI längst Bewerbungen optimiert, erwarten Unternehmen noch immer eine von Menschen verfasste Begründung für das Interesse an einer Stelle.

In der Realität sieht es anders aus:

  • Ein Motivationsschreiben wird heute nicht mehr händisch oder mit Unterstützung von Freunden und Familie erstellt.
  • KI-Tools wie ChatGPT generieren täuschend echte Bewerbungen – oft in wenigen Sekunden.
  • Wer geschickt mit Prompts umgeht, kann Texte erstellen, die sich kaum noch von menschlich verfassten unterscheiden lassen.

Conclusio: Das Motivationsschreiben ist obsolet

Für HR-Profis und Headhunter ist Zeit eine der wertvollsten Ressourcen.

In den letzten Monaten habe ich bewusst gemessen, wie viel Zeit ich für die Sichtung von Bewerbungen benötige. Die Ergebnisse sprechen für sich:

  • Durchschnittliche Sichtungsdauer pro Bewerbung: ca. 10 Sekunden
  • Aussortierung der meisten Bewerbungen: nach 3 Sekunden

Motivationsschreiben spielen in dieser Entscheidung keine Rolle. Sie sind meist nur eine leicht ausgeschmückte Wiederholung des Lebenslaufs – ohne Mehrwert für den Entscheidungsprozess.

Warum wird dieses Tool weiterhin gelehrt?

Trotzdem wird Bewerbenden in Schulen, Arbeitsmarktprogrammen und Coachings vermittelt, dass ein Motivationsschreiben essenziell sei. Dabei ist es für moderne Bewerbungsprozesse längst überholt.

Mein Tipp für Unternehmen und Bewerber:innen

Unternehmen: Hinterfragen Sie, ob das Motivationsschreiben in Ihrem Bewerbungsprozess wirklich einen Mehrwert bietet. In den meisten Fällen kostet es nur Zeit – sowohl für Bewerbende als auch für HR – ohne relevante neue Erkenntnisse zu liefern. Setzen Sie stattdessen auf effizientere Auswahlmethoden, die tatsächliche Kompetenzen und Erfahrungen der Bewerbenden in den Fokus rücken.

Bewerbende: Falls ein Unternehmen trotzdem ein Motivationsschreiben verlangt, überlegen Sie, ob sich die Bewerbung überhaupt lohnt. Falls ja, halten Sie den Text so knapp und relevant wie möglich.

Beispiel für unnötige Formulierungen:

„Mit großem Interesse habe ich Ihr Inserat auf Facebook gelesen und bewerbe mich für die Stelle als …“

Warum ist diese Aussage wertlos?

  • Ihr Interesse ist bereits durch die Bewerbung ersichtlich.
  • Unternehmen wissen selbst, wo sie ihre Inserate schalten – das muss nicht wiederholt werden.
  • Wenn Sie sich online beworben haben, können Recruiter dank smarter Bewerbermanagement-Systeme ohnehin nachvollziehen, woher Sie die Stelle gefunden haben.
  • Wenn keine Initiativbewerbung vorliegt, ist es überflüssig zu erwähnen, auf welche Stelle Sie sich bewerben – das geht aus Ihrem Lebenslauf hervor oder ist durch den Bewerbungslink bereits ersichtlich.

Wichtiger Exkurs: Diskriminierung vermeiden

Verzichten Sie in Ihrem CV auf unnötige Angaben, die nur Diskriminierung ermöglichen:

❌ Geburtsdatum

❌ Familienstand

❌ Wohnort

Warum ist der Wohnort überflüssig?

Ob Sie pendeln oder umziehen möchten, entscheiden Sie – nicht der Recruiter.

Fazit

Das Motivationsschreiben gehört ins Recruiting-Museum. Wer sich mit modernen Recruiting- und KI-Tools auskennt, weiß längst, dass diese Methode keinerlei Nutzen mehr bringt. Stattdessen sollten Unternehmen effizientere Auswahlverfahren nutzen, die sich auf relevante Qualifikationen und Kompetenzen konzentrieren.

Zeit ist wertvoll – nutzen wir sie sinnvoll.

Über den Autor des Beitrags

Inhaber, eingetragener Mediator in der Liste des Bundesministeriums für Justiz und in der Liste des Sozialministeriumservice, Unternehmensberater (u.a. HR)

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